Zwei Bilder

„Was machst du da?“, fragt die Leiterin der Mittagsbetreuung ein 7-jähriges Mädchen. Ihr war aufgefallen, dass das Mädchen sie immer wieder intensiv betrachtete. „Ich male dich!“ war die Antwort. Nachdem das Kind der Erzieherin sein Bild gezeigt hatte, meinte diese: „Ah, jetzt verstehe ich, warum Du mich immer wieder anschaust.“ Und setzte spontan dazu: „Weißt Du was, jetzt ziehe ich immer, wenn Du mich anschaust, die Maske kurz vom Gesicht und Du kannst mich nochmal malen!“

Im Fachkollegenkreis des Kinderschutzbundes durften wir die beiden Bilder betrachten und waren gleichermaßen verblüfft und erschüttert!

Frau S. mit Maske

Frau S. ohne Maske

Es fällt uns allen schwer – das Maske tragen! Es ist lästig und einschränkend. Wir vermissen es, in die Gesichter unserer Mitmenschen schauen zu können, die Mimik, das Lächeln, die Gefühlsregungen im Gesicht unseres Gegenübers wahrzunehmen. Doch diese 2 Bilder haben uns viel deutlicher als Worte gezeigt, wie einschränkend es dieses Mädchen erlebt. 2 Interpretationsansätze fielen uns dazu ein: Mit Maske kann sie die Gefühle und das Befinden ihrer Betreuerin nicht wirklich einschätzen und hat darum farblos, ja fast leblos ihre Betreuerin dargestellt. Oder aber, in der Farblosigkeit und Eintönigkeit des Bildes drückt sich die Trauer von Kind und Begleiterin über die Einschränkung des Maske Tragens aus. Vermutlich kommen beide Aspekte zusammen.

Wie groß der Unterschied zu dem Bild ohne Maske! Welch ein Ausdruck für die Bedeutung von Kommunikation und Beziehung zwischen Kind und Begleiterin!

Bestätigung für unsere Überlegungen finden wir bei Dr. Med. Michael Nehls. Er zitiert in seinem Buch „Das Corona Syndrom“ den Neurowissenschaftler und Psychiater Manfred Spitzer zu der Beeinträchtigung des Tragens von Masken wie folgt: „Das Abdecken der unteren Gesichtshälfte verringert die Fähigkeit zu kommunizieren, die Gesichtsausdrücke von denjenigen zu interpretieren und nachzuahmen, mit denen wir interagieren. Positive Emotionen werden weniger erkennbar, und negative Emotionen werden verstärkt.“

Dem Kinderschutzbund Günzburg ist es ein großes Anliegen, bei aller berechtigter Sorge um und begründeten Maßnahmen für die körperliche Gesundheit die gesunde seelische Entwicklung der Kinder nicht aus dem Blick zu verlieren! Es geht uns auch nicht darum, Widerstand gegen das Maske tragen zu formulieren, denn es gibt wohl kaum sinnvolle Alternativen. Wir brauchen aber ein Bewusstsein dafür, dass Maßnahmen, wie Maske tragen und social distancing, ihre Spuren hinterlassen und Folgen für die Entwicklung der Kinder haben werden und wir müssen uns mit der Frage auseinandersetzen, wie wir mit diesen Folgen gut umgehen können, welche Antworten wir finden.

Vielleicht geht es darum, umso bewusster mit den Augen zu kommunizieren, vielleicht aber auch zu überlegen, was meine Augen über die Hoffnung und Freude erzählen, die in mir ist. Oder wie ich selber wieder Hoffnung schöpfen kann, um sie mit den Augen weiter zu erzählen – da wäre gerade jetzt an Weihnachten ja die Idee, sich wieder auf das zu Besinnen, was uns Weihnachten erzählt vom Licht im Dunkel? Vielleicht geht es darum, Nischen zu finden und zu kreieren, in denen eine Beziehungsgestaltung ohne Maske möglich ist, wie in der beschriebenen Bildmal Aktion. Vielleicht geht es darum, den Gefühlen und Gedanken im gemeinsamen Austausch viel Raum zu geben, …

Vielleicht fallen Ihnen ja auch Möglichkeiten und gute Antworten ein!

Text: Roswitha Bajorat und Dorothea Gimpert